Guigo der Kartäuser (Guigo II) (um 1130-1193)
Die Leiter der Mönche zu Gott (Scala claustralium)
Die kleine Schrift „Scala claustralium“ (wörtlich: Die Stufenleiter der „Klosterleute“) ist in vielen Handschriften erhalten und wurde auch Bernhard von Clairvaux und anderen Persönlichkeiten zugeschrieben. Erst im 20. Jahrhundert hat man definitiv die Autorenschaft Guigos, des 2. Priors der Kartäusergemeinschaft, nachgewiesen. Von ihm sind wenige Daten überliefert. Sicher war er von 1174 bis 1180 Prior der „Großen Kartause“, dem Zentrum des Kartäuserordens. 1180 legte er dieses Amt nieder, er starb am 6. April 1193 im Ruf der Heiligkeit.
In dem kleinen Werk sind es vier Stufen, die den Mönch höher führen auf seinem Weg: lectio – meditatio – oratio – contemplatio. Die Basis des Weges ist die Heilige Schrift, die lectio divina. Auf diesem Fundament bauen die weiteren Stufen auf. Die Meditation geschieht im Erwägen, im Wiederholen, im Eindringen in das Wort Gottes. Die Antwort auf Gottes Wort an uns ist das Gebet, das zur Kontemplation, zum einfachen Verweilen, zum „Schauen“ führen soll.
Textausgabe:
Guigo der Kartäuser, Scala Claustralium. Die Leiter der Mönche zu Gott, Übers. und eingeleitet von Br. Daniel Tibi OSB, (T. Bautz) Nordhausen 3. vollständig überarbeitete Auflage 2010.
Online:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d9/Guigo_scala-claustralium_de_ebook_2011-07-17.pdf
Franz von Assisi (1181 – 1226)
Der Sonnengesang – Das Testament
Franz von Assisi ist einer der bekanntesten und beliebtesten Heiligen der Kirche, wohl auch deshalb, weil er als ein authentischer Jünger des Herrn unmittelbar überzeugt. Der Sohn einer begüterten Handelsunternehmung wird von Gott zu einem Leben in radikaler Armut und Demut geführt – in der Nachfolge des armen und demütigen Jesus. Sein Vater, ein reicher Kaufmann, war zur Zeit seiner Geburt 1181/82 auf Geschäftsreise in Frankreich, nach seiner Rückkehr nannte er den auf den Namen Giovanni Battista Getauften Francesco, kleiner „Franzose“.
Im „Testament“ aus den letzten Lebenstagen des Heiligen (September/Oktober 1226) gibt Franz einen Rückblick auf seine Bekehrung und seine Berufung und skizziert die Anfänge der Gemeinschaft der Brüder.
Der Sonnengesang entstand im Herbst 1225, als Franz schwer krank darniederlag. Die Frömmigkeit des Heiligen spricht uns aus diesem Lied der Schöpfung ganz unmittelbar an – im Gegensatz zu den gleichzeitig wirkenden Katharern (Albigenser), die die Materie und die Leibhaftigkeit nur negativ sahen.
Textausgabe:
Franziskus von Assisi, Sämtliche Schriften. Lateinisch / Deutsch, Hrsg. von Dieter Berg, (Reclam) Stuttgart 2014.
Online:
Sonnengesang: https://www.franziskaner.at/index.php?page=sonnengesang
Testament: https://www.franciscan.ch/unser-leben/franz-von-assisi/sein-testament/
Mechthild von Magdeburg (1207/1210-1282/1294)
Das fließende Licht der Gottheit
Mechthild stammte aus dem Gebiet der Erzdiözese Magdeburg und wurde als Kind wohlhabender, wahrscheinlich adeliger Eltern um das Jahr 1207 geboren. Sie genoss eine gute weltliche Bildung, wie ihre Sprache und ihr Stil beweisen. Schon früh war ihr Lebensweg von geistlichen Erfahrungen geprägt. Mit 12 Jahren wurde sie vom Heiligen Geist erstmals „gegrüßt“, wie sie selbst erklärt. Gegen 1230 verlässt sie das elterliche Haus, um dem Ruf Gottes zu folgen und sich einer Beginengemeinschaft anzuschließen, in der sie die nächsten 30 Jahre lebte.
Mit Beginen bezeichnete man seit Beginn des 13. Jahrhunderts fromme Frauen, Jungfrauen oder Witwen, die ohne dauernde Gelübde und ohne Ordensregel in klosterähnlichen Gemeinschaften lebten, von einer „Magistra“ geleitet. Häufig wählten diese Frauen Mitglieder der Mendikantenorden, der Franziskaner oder der Dominikaner, als geistliche Begleiter. Für Mechthild wurde der Dominikaner Heinrich von Halle bedeutsam. Er veranlasste sie, von 1250 an ihre geistlichen Erfahrungen aufzuzeichnen, die er in sechs Büchern unter dem Titel „Das fließende Licht der Gottheit“ zusammenfasste. Mechthild beschreibt die Wirklichkeit Gottes gerne mit den Bildern des Fließens, der Bewegung und des Lichtes. Die Erfahrungen der Liebe Gottes drückte sie meist in der Sprache der bräutlichen Liebe aus, in Anlehnung an das Hohelied des Alten Testaments. Die kirchliche Wirklichkeit stand dazu oft in Kontrast. Das veranlasste Mechthild auch zu Kritik an den politisch Mächtigen und an kirchlichen Würdenträgern, was heftige Gegenreaktionen zur Folge hatte.
All das bewog sie schließlich 1270 in das Zisterzienserinnenkloster Helfta einzutreten, das damals von der Äbtissin Gertrud von Hackeborn (+ 1291) geleitet wurde. In ihrer Zeit in der klösterlichen Gemeinschaft fügte sie ihren Aufzeichnungen noch ein siebtes Buch hinzu.
Textausgaben:
Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. Eine Auswahl, Hrsg. und übers. von Gisela Vollmann-Profe, (Reclam) Stuttgart 2008.
Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. Mit Kommentar, Hrsg. von Gerhard Wehr, (marix-Verlag) Wiesbaden 2010.
Meister Eckhart (1260-1326)
Reden der Unterweisung
Zu Beginn dieses Traktates „Reden der Unterweisung“ stellt sich der Autor selbst vor: „Das sind die Reden, die der Vikar von Thüringen, der Prior von Erfurt, Bruder Eckhart, Predigerordens, mit solchen (geistlichen) Kindern geführt hat, die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen beieinander saßen.“ Damit ist die literarische Form dieser Texte angesprochen: Es handelt sich um Collationes, um geistliche Lehrgespräche mit den „Kindern“, womit wohl Novizen und junge Kleriker des Dominikanerkonvents in Erfurt gemeint sind. Eckhart nennt zwei seiner damaligen Funktionen im Orden. Damit lässt sich die Niederschrift dieses Textes zeitlich eingrenzen: 1294 bis 1300 war Eckhart Prior des Dominkanerkonvents in Erfurt und in dieser Zeit war er auch Vikar des Provinzials der Ordensprovinz Teutonia für Thüringen.
Die Reden der Unterweisung sind nicht systematisch angeordnet. Bei einigen Kapiteln ist die Frage-Antwortsituation noch sehr deutlich erhalten, vor allem im 3. Teil des Werkes. (17, 20, 21, 22, 23). Um Gott zu finden, um mit ihm eins zu werden, muss man „sich loslassen“, sich lassen: „Nicht das ist Schuld, dass dich die Weise oder die Dinge hindern: du bist es (vielmehr) selbst in den Dingen, was dich hindert, denn du verhältst dich verkehrt zu den Dingen. Darum fang zuerst bei dir selbst an und lass dich!“ (Kap. 3)
Meister Eckhart war einer der führenden Theologen seiner Zeit, zwei Mal war er „Magister“ an der Universität Paris (was etwa der heutigen Funktion eines Ordentlichen Professors entspricht). Er hatte auch wichtige Aufgaben in seiner Ordensgemeinschaft. Vor allem hat er sich um die Seelsorge in den vielen Konventen der Dominikanerinnen bemüht. Ein Großteil seiner erhaltenen deutschen Predigten stammt aus dieser Seelsorge für die Nonnen.
Zwei missliebige Mitbrüder haben den Meister beim Erzbischof von Köln wegen des Verdachts der Häresie angezeigt. Eckhart hat schließlich an den Papst in Avignon appelliert. In diesem Verfahren hat ihn die Ordensleitung gestützt und verteidigt. Ob die Verurteilung des Meisters mit der Bulle „In agro dominico“ vom 27.3.1329 jemals rechtskräftig wurde, wird heute bezweifelt. Für die Dominikaner gilt er (wie im Titel einer Publikation zu seinem Verfahren formuliert) als „homo doctus et sanctus“.
Textausgaben:
Josef Quint (Hrsg.), Meister Eckehart: Deutsche Predigten und Traktate, (Nikol) Hamburg 7. Auflage 2007.
Erhältlich auch als Taschenbuch im Diogenes-Verlag 1990.
Meister Eckhart, Alles lassen – eins werden, Hrsg. von Günther Stachel, (Kösel) München 1996.
Online: https://www.meister-eckhart-erfurt.de/meister-eckhart-in-erfurt/reden-der-unterweisung/
Thomas von Kempen (um 1380-1471)
Die Nachfolge Christi – De Imitatione Christi
Das Buch von der Nachfolge Christi gehört neben der Bibel zu den am häufigsten übersetzten und gedruckte Werken der Weltliteratur. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war es wohl das weitest verbreitete Andachtsbuch. Ob wirklich der Chorherr Thomas Hemerken von Kempen der Verfasser dieses Buches ist, war immer wieder Gegenstand eines Gelehrtenstreites. Mehr als 35 Verfassernamen wurden in diese Auseinandersetzung eingebracht; heute scheint Thomas a Kempis einigermaßen unbestritten als Verfasser festzustehen. Der Autor relativiert diese Frage aber selbst, wenn er erklärt: „Frage nicht, wer das gesagt hat, sondern achte auf das, was gesagt wird.“ (1. Buch, Kap. 5)
Thomas wurde 1379/1380 in Kempen am Niederrhein geboren und trat 1399 in das Kloster der Augustiner-Chorherren von St. Agnetenberg bei Zwolle ein. Über 70 Jahre lebte er in Stille und Zurückgezogenheit, er verbrachte viel Zeit im Abschreiben von Büchern und hat auch selbst eine größere Zahl von spirituellen Werken verfasst. Er starb am 25. Juli 1471.
Die Kongregation der Windesheimer Augustiner-Chorherren, zu der das Kloster auf dem Agnetenberg gehörte, war von der Bewegung der Devotio moderna geprägt. Gert Groote (1340-1384), Sohn eines reichen Kaufmanns aus Deventer, hatte durch seine Bekehrung diese Reformbewegung angestoßen, die vor allem im Norden und Westen des deutschen Sprachraumes in der Zeit des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts sehr lebendig war. Neben den Windesheimer Chorherrn waren es besonders die „Brüder und Schwestern des gemeinsamen Lebens“, die diese Form des geistlichen Lebens weitertrugen. Charakteristisch ist dabei eine sehr nüchterne, stark asketisch geprägte Frömmigkeit. Man kann die Nachfolge Christi nicht in einem Zug lesen, nicht einmal ein Kapitel. Es sind meist einzelne Sätze, die inhaltlich je für sich stehen und zum Meditieren anregen. Diese literarische Art nannte man „rapiaria“, ein Charakteristikum des Schrifttums der Devotio moderna. Die Nachfolge Christi ist eine Einladung zu einem „nachfolgenden“, „nachgehenden“ Lesen …
Textausgaben:
Thomas von Kempen, Das Buch von der Nachfolge Christi, Hrsg. von Walter Gröber, (Reclam) Stuttgart 1986.
Thomas von Kempen, Die Nachfolge Christi, Hrsg. und übers. von Josef Sudbrack, (Topos-Tyrolia) Innsbruck 4. Auflage 2017.
Online: hier
Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer