Klassiker der Theologie – Frühe Kirche

Sprüche der Väter

Apophthegmata Patrum

Gegen Ende des 3. Jahrhunderts haben sich in Ägypten Christen, Männer wie Frauen, in die Wüste zurückgezogen, um dort in Einfachheit und Armut, vor allem aber im Hören auf Gottes Wort und im immerwährenden Gebet zu leben. Aus der Form des Einsiedler- oder Eremitenlebens heraus entwickelte sich das Mönchtum rasch auch als gemeinschaftliche Realisierung. Schon im 4. Jahrhundert ist es in andern Teilen des Orients nachzuweisen, in Palästina, in Syrien, in Kleinasien; der lateinische Westen und Rom folgten wenig später.

Die Sprüche der Väter (die Apophthegmata Patrum) wurden in kurzer Zeit zu einer beliebten geistlichen Nahrung und Lektüre. Das machte viele neugierig, wie denn die Mönche selbst lebten; ja sie wurden bald – vor allem für jene, die sich eine solche Besuchstour leisten konnten – zu einer „Touristen“-Attraktion. Die Sammlung der Sprüche der Väter ist eine Frucht der geistlichen Begleitung. Das Einsiedlermönchtum kannte kein geregeltes „Noviziat“ im späteren Verständnis, sondern der „Anfänger“ begab sich in die Schule eines erfahrenen Mönchs. Er erbat sich eine Weisung für sein konkretes geistliches Leben. Sprichwörtlich wurde diese Bitte mit der Formulierung: „Sag mir ein Wort, wie ich leben soll!“ Die Mönche gaben immer nur kurze, aber prägnante Antworten. Diese Worte von sehr bekannten Mönchsvätern wurden gesammelt und weitergegeben. Eine größere Zahl solcher Sammlungen von Weisungen der Mönche ist uns in den Apophthegmata bis heute erhalten geblieben.

Textausgabe:

Weisung der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genannt, übers. von Bonifaz Müller, (Paulinus Verlag) Trier 4. Auflage 1998.

Apophthegmata Patrum, übersetzt und kommentiert von Erich Schweitzer, Teil I Das Alphabetikon – Die alphabetisch-anonyme Reihe (= Weisungen der Väter Bd. 14); Teil II Die Anonyma (= Weisungen der Väter Bd. 15); Teil III Aus frühen Sammlungen (= Weisungen der Väter Bd. 16), (Beuroner Kunstverlag) Beuron 2012/2011/2013.

Kleine Auswahl: Freddy Derwahl (Hrsg.), Weisheiten der Wüstenväter, (Verlag Butzon & Bercker) Kevelaer 2018.

 

Benedikt von Nursia (um 480-547)

Regula Benedicti

Im lateinischen Westen war das Mönchtum bereits fest etabliert, berühmte Klöster mit eigenen Regeln gegründet, als in der Mitte des 6. Jahrhunderts in Mittelitalien ein Text geschrieben wurde, der alle früheren an Kraft und Wirkung bei weitem überflügeln sollte: Die Regula Benedicti (= RB). Dieses zentrale geistliche Dokument wurde der Überlieferung nach vom hl. Benedikt als Lebensordnung seines Klosters Monte Cassino verfasst, um „eine Schule für den Dienst des Herrn einzurichten“ (RB Prolog 45). Er will mit der Regel „eine dem Mönchtum einigermaßen entsprechende Lebensweise“ ermöglichen (RB 73,1). Die RB bietet dabei keine originelle Neuinterpretation des Mönchtums, sondern schöpft aus einer reichen Tradition; sie zeichnet sich dadurch aus, wie sie ihre Quellen auswählt und so eine ausgewogene und lebensnahe Ordnung entwirft. Ihre Sprache ist stark biblisch durchdrungen, will sie doch zeigen, was es heißt, gemäß dem Evangelium zu leben. Christus steht im Zentrum ihrer Spiritualität: „Christus sollen sie überhaupt nichts vorziehen“ (RB 72,11). Das betrifft nicht nur den Gottesdienst und das Gebet, sondern das ganze Leben, die Arbeit, ja auch die Nachtruhe. Alles ist miteinander in einem ausgewogenen Verhältnis verzahnt, so dass es gerade im Kapitel über die berufstätigen Brüder heißt: „Damit in allem Gott verherrlicht werde“ (RB 57,9).

Gregor der Große charakterisiert die Regel als „discretione praecipua“ und „ sermone luculenta“ (Dial. 2,36), d.h. „ausgezeichnet durch maßvolle Unterscheidung und wegweisend durch ihr klares Wort“. Das bringt das Wesen der RB weit besser auf den Punkt als die vermeintliche Zusammenfassung „Ora et labora et lege“, die nicht von Benedikt stammt. Abgesehen von einigen zeitbedingten Aussagen sind Anliegen und Ansatz der RB von zeitloser Gültigkeit. Ihre maßvolle Art macht sie auch heute wegweisend für das geistliche Leben. So wird die RB nicht nur für Mönche und Nonnen, sondern für jeden geistlich Suchenden zu einer reichen Quelle, wie man ein christliches Leben führen kann.

 Textausgabe:

Regula Benedicti – Die Benediktusregel. Lateinisch / deutsch. Herausgegeben im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, Beuron (Beuroner Kunstverlag) 52012.

Online: https://www.frauenwoerth.de/abtei/regel-benedikts/

Gregor der Große (um 540-604)

Dialoge – II. Buch

Papst Gregor I. leitete die Kirche von 590 bis 604. In seinem umfangreichen Werk der „Dialoge“ wollte er zeigen, dass die Kirche nicht nur im Orient große und heilige Menschen hervorgebracht hat, sondern auch in Italien. Das 2. Buch dieses Werkes ist ausschließlich dem hl. Benedikt von Nursia gewidmet. Es handelt sich bei dieser Lebensbeschreibung nicht nur um ein historisches Dokument – immerhin die einzige Quelle für die Biographie Benedikts –, sondern vor allem auch um eine Einführung in das christliche und monastische Leben.

Anhand der Stationen des Lebensweges Benedikts von Rom über Subiaco auf den Montecassino stellt Gregor die geistige und geistliche Entwicklung des späteren Mönchsvaters als einen Aufstieg nach oben dar. Dabei ist dieser Weg keineswegs perfekt, auch das Scheitern, Loslassen und Neuanfangen kommen vor. Die erzählten Ereignisse sind Beispielgeschichten für das Wachsen und Reifen im geistlichen Leben mit all seinen Herausforderungen. Das macht das Buch für jeden lesenswert, der sich auf diesen Weg machen will – ob im Kloster oder in der Welt. Für uns heute vielleicht befremdlich mag sein, dass besonders die Wunder des hl. Benedikt eine zentrale Rolle spielen. Doch für Gregor war das ganz wichtig, denn in den Wundern drückt sich die Nähe Benedikts zu Gott aus, von dem alle Kraft kommt; Gottes Kraft wird in den Wundern sicht- und greifbar.

Textausgaben:

Gregor der Große, Der hl. Benedikt. Buch II der Dialoge, lateinisch / deutsch,

(EOS Verlag) St. Ottilien 1995.

Gregor der Große, Vita Benedicti / Das Leben und die Wunder des verehrungswürdigen Abtes Benedikt, lateinisch / deutsch, übers. und komm. von Gisela Vollmann-Profe, (Reclam) Stuttgart 2015.

Online: https://www.frauenwoerth.de/abtei/leben-benedikts/

 

Cyrill von Jerusalem (um 320-387)

Mystagogische Katechesen

In den ersten Jahrhunderten, im christlichen Altertum wurden die erwachsenen Taufbewerber in der Osternacht getauft. Noch heute erinnert die feierliche Osternachtliturgie an dieses Geschehen und soll uns die eigene Taufe ins Gedächtnis rufen. In der Antike ging der Taufe eine intensive Vorbereitung voraus, eine katechetische und moralische Einführung in das Christsein und in das christliche Leben. Von einigen bedeutenden Bischöfen des christlichen Altertums sind solche Katechesen zur Taufvorbereitung erhalten. Insgesamt 24 solche Katechesen sind von Bischof Cyrill von Jerusalem auf uns gekommen: 18 Katechesen hielt er für die Taufbewerber während der Fastenzeit, 5 Katechesen waren für die Neugetauften während der Osterwoche bestimmt. Diese nannte man „Mystagogische“ Katechesen, weil sie in das Mysterium, in das Verständnis des sakramentalen Geschehens des Aktes der Christ-Werdung einführten. Die ersten beiden Katechesen erschließen die Taufe im unmittelbaren Sinn. Die dritte Katechese handelt von der „Salbung“, in unserer Terminologie von der Firmung, die mit dem Taufgeschehen eine Einheit bildete – und auch heute bei einer Erwachsenentaufe bildet. Die vierte Katechese setzt sich mit der Eucharistie als Teilhabe am Leib und Blut Christi auseinander, schließlich nahmen die Neugetauften ja zum ersten Mal an der Feier teil. Die fünfte Katechese erläutert das Geschehen dieser Feier im einzelnen: Es ist die Rede vom Friedensgruß, von eucharistischen Hochgebet, vom Vaterunser und vom Ritus des Kommunionempfangs. Für die spätere Entwicklung ist dabei der ehrfurchtsvolle Empfang des Leibes Christi in die Hand von Bedeutung.

Textausgabe:

Cyrill von Jerusalem, Mystagogicae Catecheses – Mystagogische Katechesen, Griechisch / Deutsch, Fontes Christiani Bd.7, (Verlag Herder) Freiburg 1992.

Online: https://www.unifr.ch/bkv/rtf/bkv165.rtf

 

Augustinus von Hippo (354-430)

Bekenntnisse / Confessiones

Es war ein langer Weg für den 354 in der nordafrikanischen Stadt Thagaste geborenen Augustinus bis zu seiner Taufe zu Ostern 387 in Mailand. Zwar schon als Kind von der frommen Mutter, der hl. Monika, für die Taufe angemeldet, schloss sich der Rhetorikprofessor Augustinus zunächst den Manichäern und anderen weltanschaulichen Gruppen an. Der Einfluss des hl. Ambrosius, des Bischofs von Mailand, führte ihn schließlich doch zur Taufe, zum vollen Christwerden. Nach Afrika zurückgekehrt, drängte ihn die Gemeinde der Stadt Hippo Regius, ihr Priester zu werden. Nach der Priesterweihe 391 wurde er 395 als Nachfolge des Valerius Bischof dieser Stadt, die bis zum Tod am 28. August 430 sein Lebensmittelpunkt war.

Zwischen 397 und 401 verfasste Augustinus sein bekanntestes Werk, die Confessiones, die Bekenntnisse. Es ist die bedeutendste Selbstbiographie des christlichen Altertums. Das lateinische Zeitwort „confiteri“ bedeutet ein Zweifaches: „bekennen“ der Größe Gottes, meint sein Erbarmen zu loben und zu preisen, bedeutet aber auch „bekennen“ der Sünden und Fehler. Die Teile I bis IX, üblicherweise als Bücher bezeichnet, beschreiben in diesem zweifachen Sinn seinen Weg bis zu Bekehrung und Taufe. Sie enden mit dem Tod seiner Mutter Monika in Ostia vor seiner Rückkehr nach Afrika im Herbst 387. Die letzten Bücher des Werkes bieten eine tiefsinnige Deutung des Schöpfungsberichtes aus dem ersten Kapitel der Genesis.

Textausgaben:

Augustinus, Confessiones/Bekenntnisse. Lateinisch und Deutsch, Hrsg. und komm. von Kurt Flasch und Burkhard Mojsisch, (Reclam) Stuttgart 2009.

Online: https://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ub/referate/04/augustinus/bekennt1.htm

Univ.-Prof. Dr. Josef Weismayer